Sunday Colours: no sports...!

Im letzten Winter fragte mich meine Ärztin, die sich um meinen Blutdruck sorgte, ob ich mich regelmäßig und ausdauernd sportlich betätigen würde. Da ich zu dem Zeitpunkt seit Wochen von einer Bronchitis geplagt wurde, antwortete ich wahrheitsgemäß: "Äh... hust! Wohl eher nicht... röchel!", worauf sie nachdrücklich "Na, dann wissen Sie ja, an welchen Schrauben Sie drehen müssen!" erwiderte und mich mich mit einer Krankmeldung entließ. Na, fantastisch. Wenn man das Gefühl hat, gerade noch nach Hause schlurfen und ins Bett fallen zu können, ist eine solche Bemerkung so richtig hilfreich.

Wenn ich ehrlich bin, hab ich nämlich keinen blassen Schimmer, an welchen Schrauben ich drehen muss, außer an solchen, die möglicherweise etwas locker sind. Bewegung? Ausdauer? Körperliche Fitness? Gar Sport? Moi? Ts. Bei einigermaßen warmen Außentemperaturen radle ich zwar immer noch täglich 25 Kilometer zur Arbeitsstelle und zurück, an kühleren Wochentagen kommen beim zügigen Gehen zu und von S-Bahn-Stationen jede Menge Schritte zustande - und falls es wie aus Kübeln schüttet, hagelt oder schneit, bewege ich mich manchmal fast schon gezwungenermaßen daheim auf dem Mini-Trampolin, schon allein, weil ich sonst wahnsinnig werde und außerdem neuralgische Probleme bekomme. Im letzten Urlaub war ich mal wieder echt hyperaktiv (was mir wirklich nicht schwerfällt) und so viel auf den Füßen, dass mir am Abend regelmäßig dieselben abfielen (na ja, so gut wie!), als Ausgleich schwamm ich jeden Morgen meine Bahnen im Pool.

Aber Sport...? Hm... irgendwie verstehe ich darunter ja immer sowas wie Exzess, Leistung, Wettbewerb, Erschöpfung und Kämpfen bis zum Umfallen. Den Ironman absolvieren, mindestens 50 Kilometer durch die Wüste laufen, bis man zusammenbricht, über die Alpen radeln, durch den Ärmelkanal schwimmen, einen Achttausender besteigen... na, ihr wisst schon. 

Wenn ich's recht bedenke, bin ich übrigens schon über die Alpen geradelt - aber niemals wäre mir in den Sinn gekommen, dies als eine sportliche Leistung zu werten. Ich eierte und jammerte nämlich mehr so rum, ihr hättet mich mal sehen sollen! Nein, nein, ich halte es da eher wie Churchill: No Sports! Hahaha, denn wie man inzwischen weiß, hat er das tatsächlich nie gesagt...! Genauso wenig wie Einstein das mit den Bienen, aber ich schweife ab.

Fragt man Menschen, ob sie Sport treiben, kommen die unterschiedlichsten Antworten. Interessant wird's allerdings erst bei genauem Nachhaken, denn eines ist klar: auch das Thema körperliche Fitness und Sportlichkeit ist reine Definitionssache. 

Eine Bekannte streifte mich kürzlich mit diesem mitfühlenden Blick, als ich ihr zu verstehen gab, dass ich am Wochenende eigentlich am Liebsten auf dem Sofa fläze, und erklärte mir, dass sie da ja viel aktiver sei. Heraus kam: sie traf sich zweimal die Woche mit einer Freundin im Wald, um eine Stunde zu walken. In Sportklamotten und mit Stöcken. Hm. Verstehe. Bei athletischer Fitness geht's gar nicht darum, wie oft und wie ausdauernd man sich tatsächlich bewegt, sondern schlicht und ergreifend um Schauplatz, Definition - und Equipment!

Wenn beispielsweise Frau Meier mit dem Auto ins 5 Kilometer entfernte Fitnessstudio fährt, dort in Active Wear 30 Minuten auf dem Laufband walkt, anschließend an der Theke einen Eiweißshake schlürft und dabei gelangweilt die "Fit for fun" durchblättert, geht sie vermutlich einwandfrei als Sportskanone durch. Wäre sie den Weg zum Fitnesstempel und zurück gelaufen oder geradelt, ohne ihn zu betreten, wäre das mit Sicherheit effektiver gewesen (Hal-lo, 10 Kilometer an der frischen Luft!) - aber das zählt natürlich nicht...!

Seht ihr, schon hab ich's kapiert, ich mag zwar unsportlich sein, aber möglicherweise gar nicht mal so blöd. Ergo war selbst Luis Trenker streng genommen gar kein richtiger Athlet, weil er sich mit ollen Lederschuhen und lächerlichen Woll-Klamotten nur oldschool im Freien bewegte und dabei noch nicht mal atmungsaktive, wind- und wettergeschützte High Tech-Materialien am Leib trug. Mein Gott, damals hatten sie ja noch nicht mal Boulderhallen, geschweige denn Laufbänder oder Peloton-Bikes. Mal ehrlich, wie konnten die Leute damals bloß Ausdauertraining betreiben?

Na, wie auch immer. Auf den nächsten Praxisbesuch werde ich mich jedenfalls besser vorbereiten, das schwör ich euch! Nix mehr Churchill, Ironie und britisches Understatement, versteht hierzulande ja eh niemand. Wenn meine Ärztin also nochmal die Frage nach der regelmäßigen Bewegung stellt, werde ich lässig abwinken und ihr was von effektivem Ausdauer- und Muskeltraining auf dem Cross-Bike, kontinuierlichem Intense-Walking sowie ganzheitlichem Rebounding-Workout auf dem Trampolin erzählen. Ach ja, und im Urlaub erhole ich mich nicht etwa, sondern absolviere tägliche Aqua-Exercises plus Power-Marathon-Trainingseinheiten. Alles natürlich in passender Sportswear!

Anschließend werde ich ihr vielleicht noch einen dieser mitfühlenden Blick zuwerfen und eventuell bemerken, dass so eine eiserne Disziplin natürlich nicht jedem gegeben ist. Selbst mir als geborene Fitnessqueen ist das bewusst. Tja!

OUTFIT:

Rock: Uniqlo (2023)

sportliches Shirt: aus Bangkok (2024)

Schuhe: ?? (2020)

Socken: ??

Tasche: aus Bangkok (2024)

Sonnenbrille: alt

Ring: DIY

Motorroller: natürlich nicht meiner, ich walke! 😂