Radeln macht glücklich: Lektion 1: Schmerz und Widerstand


"Sei eins mit dem Universum. 
Und wenn du das nicht schaffst,
 sei wenigstens eins mit deinem Rad."

(Lennard Zinn, Fahrradmechaniker und Handbuchautor)

Tag 1: München-Mammendorf nach Donauwörth




Radeln ist kein Sport. Es ist eine Philosophie, wie ich inzwischen gelernt habe. Es geht um mehr als nur schnödes Kalorien verbrennen - wobei das natürlich ein durchaus erwünschter Nebeneffekt sein kann. Nicht nur das - mein Mantra, welches ich immer wieder beschwörend vor mich hinmurmele, wenn's mal wieder eine lange, lange Straße unendlich öde bergauf geht und ich mich eigentlich gerade eben zum Sterben hinlegen wollte, lautet: "Muskelaufbau - Fettverbrennung... Muskelaufbau - Fettverbrennung..." Dadurch wird die Steigung zwar nicht weniger steil, aber irgendwie - überwindbar. Darum geht's ja auch im Leben, gell? So generell.

Tag 2: Donauwörth nach Dinkelsbühl






Wenn ich vorher immer so wüsste, an welchen neuen Herausforderungen ich an diesem Tag scheitern wachsen werde, würde ich vermutlich gleich morgens in den Zug oder ins Taxi steigen. Das Gute an Radtouren, deren Strecke man nicht wirklich kennt, ist: man ahnt eben vorher nicht, dass man sich schon mittags mit schmerzverzerrtem Gesicht fragen wird, wie man nur so bescheuert sein kann!?

Denn all denjenigen, die mir gesagt haben, dass das Fahrradfahren nix für sie sei, weil ihnen dabei nach einer Zeit alles weh täte, kann ich nur reumütig erwidern: "Mir tut auch alles weh! Alles, verdammt! Ich habe Schmerzen an Körperteilen, von denen ich zuvor nicht mal wusste, dass ich sie besitze!"

Ungefähr fünfundsiebzig Mal am Tag fluche ich und schwöre, dass ich nicht mehr alle Latten am Zaun habe. Und dass ich zu alt bin für den Scheiß. Und dass ich zutiefst bereue, so etwas sogar freiwillig zu tun. Tja. Die Frage ist, warum mache ich's trotzdem?

Tag 3: Dinkelsbühl nach Rothenburg ob der Tauber



















Ich kann's Euch sagen: weil ich seit meiner Kindheit keinen so wunderschönen Landsommer mehr erlebt habe wie jetzt, wo ich ihn wahrhaftig durch jede Pore spüre. Weil man so einen Sommer niemals intensiver erlebt als wenn man ihn sich er-radelt. Den ganzen Tag im Freien, durch Felder, Dörfer, wunderschöne Landschaften und Orte. Weil ich gefühlt bereits seit Wochen unterwegs bin (dabei sind es gerade mal drei Tage...). Weil ich zwar fünfundsiebzig Mal am Tag fluche, aber dafür hundertfünfundsiebzig Mal eine Gänsehaut kriege, mir fast schon alberne Freudentränen in die Augen schießen und ich vor Staunen und Glück den Mund nicht mehr zubekomme (blöd, wenn man auf dem Fahrrad sitzt, weil dann jede Menge Insekten hineinfliegen...).

Und außerdem kann man abends ein halbes Pferd verspeisen, ohne dass es kalorienmäßig auch nur im Entferntesten zu Buche schlagen würde. Nur noch so ein banaler Nebeneffekt. 

Kommentare

  1. Genau so ist es. Und nicht zu vergessen: Das unglaublich gute Gefühl am Abend, es geschafft zu haben. Nicht fluchend sitzengeblieben, sondern angekommen zu sein. Und dann war da noch was: Wärest du mit dem Auto die gleiche Strecke gefahren, hättest du all die Dinge gar nicht gesehen. Ein Pferd, das goldene Kugeln sch***t und Geheimtipps, wie man in der Pfanne bleibt :-)

    Ich wünsche dir noch ganz, ganz viel Spaß, nicht allzu viele Anstiege und immer Luft im Reifen!
    Liebe Grüße
    Fran

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  2. Hach da isse ja! Ich freu mich so Dich zu sehen. Na auf diesen schönen Fotos sieht man genau weshalb Du das machst. So wunderschön. Okay ehrlich Deine Etappen sind aber auch höllisch lang. Das ist doch immer ein Tag oder?
    Der Göga schickt mir auch immer Fotos von seinen Ausflügen, die er alleine macht weil ich nicht mag, und das sind so tolle Eindrücke, die ich hier im Umkreis noch nie gesehen habe. Das genießt er auch. Er fährt jetzt ein E Bike und flucht natürlich lange nicht mehr, wie Du es musst bei Bergauf.
    Ich wünsche Dir noch einen wunderschönen Radurlaub Maten. Es ist schön dass Du uns mitnimmst.
    Liebe Grüße Tina

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  3. Alles Gute weiterhin! Bin gespannt, was das nächste Ziel ist, du scheinst dich ja meiner Kindlichen Heimatregion zu nähern....
    GLG
    Astrid

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  4. Liebstige Maren,
    am liebsten würde ich mich gleich zu dir beamen und neben dir herfluchen und ächzen und stöhnen. Das alles klingt nach wunderbarer Pein und die Landschaft, durch die du radelst, sieht traumhaft aus. Gehäkelte Riesentraumfänger? Beschattung mit Regenbogenschirmen... Wie kommt die goldene Kugel zu den Pferdeäpfeln? Die Burg Harburg... Rothenburg ob der Tauber - das möchte ich auch mal "in echt" mit eigenen Augen sehen! Hachz, all das schöne Fachwerk!
    Und dann natürlich noch: "Muskelaufbau - Fettverbrennung... Muskelaufbau - Fettverbrennung..." Wobei all das leckere Essen, das du zeigst, gar nicht so großartig nach vielen Kalorien aussieht.
    Ich glaub's dir aufs Wort, dass alles, was du siehst und erlebst, die Strapazen wert ist. Weil ich sowas selber schon erlebt habe, wenn auch vor vielen Jahren, und weil ich sowas auch gerne noch einmal erleben will - wir haben mal nächstes Jahr für eine längere Radtour ins Auge gefasst (schau'ma, ob's was wird, wir haben ja dauernd 100.000 Pläne ;))...
    Ich drück dir weiterhin die Daumen für passables Wetter und für eine Vielzahl an Glücksgefühl-Gänsehäuten! Und dich drück ich auch, virtuell!
    Alles Liebe,
    hrzhaftest, die Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2021/08/kommt-mit-ins-mohn-dorf-teil-2.html

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  5. lass das mit dem halben pferd nich die hummel hören ;-DDDD

    ich weis genau was du meinst mit "landsommer"!
    genau das gefühl hatte ich, wenn wir von berlin aus mal übers wochenende durch brandenburg (platt!) radelten - in diesem vom weltgeschehen vergessenen landstrich hätte sich wahrscheinlich sogar meine oma an ihre kindheit erinnert gefühlt....... und man kann es echt nur mit dem rad und der entsprechenden langsamkeit erleben - denke, die auf kunstdarm gezogenen e- & sportbike-fahrer auf´m elberadweg z.b. haben diesen genuss nicht.
    und die anwohner deiner strecke lassen sich auch nicht lumpen: hübsch dekoriert mit schirmchen, makramee, störchen und sonnenblumen und beim kochen geben sie sich auch mühe :-D
    deine tageskilometer finde ich sportlich!
    fröhliches radeln! xxxxx

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  6. Ich HABS gehört!! 😂
    Aber tatsächlich lag mir dieses Argument als erstes auf der Zunge, nachdem ich deinen Post gelesen hatte. Natürlich darf man nach einer solchen Leistung (und das ist es, was du da grade ablieferst!) richtig zuschlagen und sich lukullischen Genüssen hingeben. Denn 1. hat man es mehr als verdient und 2. kann nur ein gut versorgter Körper jeden Tag aufs Neue dich und dein Velo vorwärtsbringen. Dass es dabei noch so viel zu sehen gibt, ist wunderbar. Eine wunderschöne Landschaft eroberst du da gerade! Und nur mit einer gewissen Langsamkeit, die mit dem Auto niemals gegeben wäre, kann man all das entdecken und bewundern. Ich kenne das ja auch vom Reiten her: vom Pferd aus ist man viel aufmerksamer für alles, was einem umgibt.
    Ich bewundere wirklich, dass du dich durchbeisst! Ich gehöre mit Sicherheit auch zu jenen, die fluchend und schimpfend den Berg hochkeuchen und ein ums andere Mal die eigene geistige Gesundheit in Frage stellen würde, *ggg*! Aber ich komme niemals in Versuchung, es dir gleichzutun- ich WEISS, dass ich es nicht schaffen würde, dazu ist mein eigenes Fahrgestell inzwischen viel zu marode....
    Ich wünsch dir viel Spass und eine gute Portion Durchhaltewillen weiterhin, geniess die Zeit und erhol dich immer wieder ausgiebig!
    Ganz herzliche Grüsse!

    PS: In Rothenburg o.d.T. waren wir als Kind mal mit meinen Eltern- ich erinnere mich an meine Begeisterung dafür, dass dort das ganze Jahr über Weihnachten zu sein scheint! 😉 🎄

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  7. Liebe Maren, ich war schon gespannt, was du uns in deinem ersten Reisebericht erzählen wirst und es ist total schön, dass wir dich anhand der Fotos so richtig begleiten und dabei ganz ohne Strampeln und Schmerzen etwas erleben können ;-) . So war ich gleich mal ganz beeindruckt von deinen Fotos mit den Kilomteranzeigen und habe mir vorgestellt, was mir da wohl auch alles wehtun würde, wenn ich so lange durch die Gegend radeln würde. Aber es ist auf jeden Fall so, dass du alles bedeutend mehr wahrnimmst und achtest, wenn du nicht mit dem Auto oder dem Zug, sondern entweder per pedes oder per Rad die Strecken zurücklegst und das Erfolgsgefühl am Tagesende kann wohl auch nicht aufgewogen werden. Ich wünsche dir weiterhin eine schöne und vor allem unfallfreie Fahrt und freue mich schon auf deinen nächsten Bericht.
    Hab einen ganz wunderbaren Abend und alles, alles Liebe Gesa

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  8. Liebe Maren,
    Beim Lesen krieg ich da schon einen Muskelkater - und das alles ohne e-Bike. Mein Kompliment erstmal. Aber diese ganzen Anstrengungen lohnen offensichtlich, denn nur Erkämpftes macht wohl die richtige Freude. Nebenbei - wunderbare Aufnahmen und Eindrücke. Ich wünsche Dir noch eine wunderbare Weiterradelei ohne Defekte und mit einem wohligen Gefühl am Abend, wenn man an das heute Geschafte zurückdenkt.
    Alles Liebe und eine gute Zeit
    Gerda

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  9. Uiiii, 87 km schon am ersten und 79 km am zweiten Tag! Respekt, liebe Maren! Da wundert es mich nicht, dass Dir jede Pore in und am Körper weh tut. Vor allem die Pore ohne re stelle ich mir sehr schmerzhaft vor. Ich freue mich, dass Du Deinen Schweinehund überwunden hast und diese tolle Radtour machst. Und das Leiden macht sich mit dem intensiven Erleben dieses wunderschönen Landsommers bezahlt.
    Noch einmal Respekt, dass Du trotz des kleinen Gepäcks auch noch ein so süßes Kleid mit hast und darin die Rothenburger verzauberst.
    Hab noch eine schöne Zeit und sei mir herzlichst gegrüßt!
    Nadine

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  10. Ah, so schön und Du fährst genau in meiner Heimat an der Romantischen Straße und an der Wörnitz entlang. Dinkelsbühl ist mein Geburtsort... schön dort, gell?
    Nachdem ich weiß, dass in dieser Landschaft zwar alles schön, aber nicht alles eben ist, finde ich Deine Leistungen kilometermäßig enorm. Und dann noch so fesche Kleidung (incl. Filzbrosche) im Gepäck, ich bin begeistert!
    Wir waren soeben drei Tage in Jena und Weimar und sind dort auf dem Lyonel Feininger Radweg und an der Saale entlang geradelt. Aber viel kürzere Strecken und mit dem E-Bike. Den Landsommer haben wir aber auch verspürt und alles mit allen Poren eingesogen.
    Eine gute Fahrt weiterhin wünscht Dir sehr herzlich,
    Sieglinde

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  11. Allein das Lesen war ich atemlos! Es war super spannend! Und ich habe deinen ganzen Schmerz gespürt! ;) Ja, bei diesem Abenteuer kann ich dich leider nicht mehr begleiten, aber ich kann all deine Emotionen verstehen und danke dir für all diese schönen Bilder.
    Liebe Grüße,
    Claudia

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  12. Ein schöne Strecke, auf der wir Dich hier schon begleiten durften. Aber zweng meiner hättest Du Dich nicht so quälen brauchen. Ich hab ja schon fast ein schlechtes Gewissen.

    "mein Mantra, .... und ich mich eigentlich gerade eben zum Sterben hinlegen wollte ... Muskelaufbau - Fettverbrennung... - überwindbar. Darum geht's ja auch im Leben, gell?"
    Nein. Darum geht es im LEBEN NICHT. Um Gottes willen. Wie kommst Du denn auf DIE Idee.
    OK. Zumindest darum geht es in MEINEM LEBEN nicht. In meinem Leben geht es um Ausgleich. Um einen Flow. Um Freude. Um Gestaltung. Um Liebe. Nicht um Qual und Anstrengung. Bleib mir weg damit.
    BG Sunny

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    1. Ich überwindet keine Hindernisse. Ich versuche sie so zu integrieren, dass sie zum Teil "des Plans" werden.

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