Sunday Colours: Veränderungen

Weil die Erde eine sich um den eigenen Mittelpunkt drehende Kugel ist, sind Veränderungen an sich nicht nur was völlig Normales, sondern auch noch richtig supi! Dachte ich jedenfalls, zumindest, seit Galileos Theorie der Rotation nicht mehr als Ketzerei, sondern als unumstößlich gilt. Man sollte ihn willkommen heißen, den Wandel, ihn herein bitten und ihm ein Tässchen Tee anbieten. Respektive einen Latte Macchiato, ein Glas Wein oder gar drei bis vier Stamperl Schnaps, je nachdem, mit welcher Neuigkeit er halt so um die Ecke kommen mag. Vor allem: es hilft ja auch nix, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

In diesen schnelllebigen, merkwürdigen Zeiten, mit all ihren täglichen Katastrophen, Nöten und Sorgen... mit all ihren neuen Begriffen und gegenseitigen Beschuldigungen, ungeahnten Geschlechtern, einmaligen Identitäten, innovativen Parteien, künstlichen Intelligenzen, ganz natürlichen Dummheiten und immer wieder noch aktuelleren Meldungen des Tages bricht doch ohnehin nahezu alles wie tosende Flutwellen auf uns ein. 

Tja, und wer da nicht anfängt zu schwimmen, der wird ganz sicher untergehen wie ein Stein - so prophezeite es jedenfalls der gute alte grantige Bob Dylan bereits in den Sechzigern, als alles noch etwas gemütlicher und weniger bedrohlich vonstatten ging - tja, nur hätte man es damals wohl nicht annähernd für möglich gehalten, dass die Zeiten sich derart ändern. 

Und zwar fortwährend, andauernd und immerzu, ohne Rücksicht auf Verluste. Oder auf psychische und physische Gesundheit, Lebensalter, finanzielle Sicherheit, Religion, Status, sowas wie momentane Belastbarkeit oder gar Gerechtigkeit. Ha! Seit wann ist das Leben gerecht und fragt höflich nach, ob du für einen weiteren Twist gerüstet, gestiefelt und gespornt bist. Nö, das Leben knallt einem Veränderung um die Ohren - bäm! bäm! bäm! - so schnell kannst du nicht mal blinzeln. 

Dem Leben ist es nämlich egal, ob du den Wandel als Chance begreifst oder eben nicht. Also ein: "Aach nöööö, grad passt mir so eine Transformation ja gaaar nicht in die Tüte, hab nämlich schon was anderes vor... aber vielleicht lässt sich ja in drei Wochen was arrangieren?" ist leider keine Option. 

Obwohl, stellt Euch vor, wenn man die Szene einfrieren könnte... wenn man eine Weile keine Updates mehr machen müsste...? Zum Beispiel eine ganze Zeit lang unverändert Mitte 50 bleiben, statt diese nervigen Jahre des Wechsels anzutreten? Der Endgültigkeit einfach mal kurz von der Schippe springen? Den Regenwald einfach mal jahrzehntelang wachsen, gedeihen und verregnen lassen, unabhängig von Regierungswechseln in Brasilien? Im fahrenden Zug die Notbremse ziehen und aussteigen, weil die Landschaft draußen gar so bezaubernd ist? Die Produktion mal kurz einstampfen? Die Demonstration absagen? Mal keinen Sundowner zu sich nehmen, weil die Sonne einfach nicht untergeht?

Überhaupt: mal für eine Weile inne- und die Klappe halten, statt schon wieder eine Anfeindung nach der anderen rauszuhauen? Mal eine Pause einlegen, einen Waffenstillstand ausrufen? Keinen Krieg gewinnen, keine Hochzeit feiern, keine Scheidung einreichen, keine Entbindung einleiten und keinen Tod betrauern müssen... mal keine der üblichen good, bad oder fake News erhalten müssen, nur mal so temporär. Einen winzigen Atemzug, einen Wimpernschlag lang, sozusagen. 

Aber weil die Welt eben nicht statisch ist, und wir uns mit ihr bewegen, wird uns wohl nix anderes übrigbleiben, als den dauernden Wechsel zu begrüßen... oder wenigstens gelassen hinzunehmen. Erkenntnisse sind die Vorreiter des Wandels... und von jenen hab ich in der letzten Zeit so einige gewonnen: zum Beispiel, dass ich Anfang November auch mal zu Hause bleiben könnte, anstatt Jahr für Jahr panisch vor meinem Geburtstag zu flüchten, denn älter werd' ich ja ohnehin, ganz egal wo! 😁 Das ist mir kürzlich erst so richtig aufgefallen. Hrmpf.

Tja, dumm gelaufen. Aber dann hab ich festgestellt, dass es trotz Urlaub und Mieterhöhung möglich ist, am Ende des Monats sogar noch Geld übrig zu haben, wenn man sich mal bewusst macht, was man eigentlich alles nicht braucht. Und dass mir Fashiontrends im Grunde wohl eher wurscht sind, und ich das wöchentliche Shooten und Zeigen von Looks im Blog derzeit sogar eher ein wenig merkwürdig finde, wenn ich so ausführlich darüber nachdenke, ist ja auch nix wirklich Neues für mich. Aber keine Sorge, ist vermutlich nur eine Phase. Wer weiß, wo das noch hinführt...!

Ich weiß nur, dass ich alles, was mir keine Freude mehr macht, locker hinter mich werfen kann, das war schon immer so. Nostalgie und Verklärung der Vergangenheit sind mir völlig fremd. Trotzdem wünsche ich mir dann und wann, manches wäre anders gelaufen. Nicht unbedingt in meinem Leben... mehr so allgemein. 

Aber wünschen und bereuen allein reicht nicht aus, die Zeit rast dahin... alles fließt, bewegt sich und schwingt... und zwar in einem Affenzahn! Manche rotieren da im Kreis, andere kreisen nur noch um sich selbst... und wieder andere versuchen, während der Fahrt abzuspringen. Funktioniert aber alles nicht. Ich glaube, ich versuche irgendwie, mitzuschwingen. Keine Ahnung, ob mir das so gelingt, vermutlich eher schlecht als recht. Jedenfalls immer noch besser als durchzudrehen.

FOTOS:

Weßlinger See, bei München

und Schoko-Muffins-Backorgie daheim