Sunday Colours: Carewoche im Länd

Normalerweise schreibe ich ich ja Blogposts über bestimmte "Themen" und nicht über meinen eher stinklangweiligen Alltag, denn "In der Früh aufgestanden, die Sonne durchs Fenster scheinen lassen, die Kaffeemaschine angeworfen und einen fröhlichen Leonard-Cohen-Song gesummt" (haha, finde den Fehler!) - das interessiert ja nun wirklich keinen, selbst, wenn sich Menschen, die derartig Belangloses posten, inzwischen ganz offiziell "Content Creator" nennen. Auch egal, von denen weiß eh keiner mehr, wer Leonard Cohen war.

Da ich aber gerade eine Woche mit jeder Menge Content hinter mir habe, gespickt mit witzig-ironischen Wendungen, (un-)passendem Timing, haufenweise menschlichen Fehlern, (unterdrückten) Gefühlen, (un-)nötigen (?) Gewissensbissen, jeder Menge Zugfahrten und lehrreichen Erkenntnissen, schreib ich's trotzdem auf, denn möglicherweise ist ja auch die ein oder andere Erkenntnis für euch mit im Gepäck! 

GEWISSENSBISSE SIND DOCH WAS GUTES! HURRA!

Manche behaupten ja, sie seien unnötig. Ich hingegen glaube, dass das Rumhirnen und moralische Abwägen von wegen "Kann/soll/darf ich das wirklich tun?" einfach nur bedeutet, dass man ein Mensch ist. An sich ja nicht so ganz verkehrt. Bei mir fängt das allerdings schon an, dass ich mir einbilde, mich doch nicht "einfach so" krankschreiben lassen zu können, um mich um meinen dementen, wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus eingelieferten, positiv auf Corona getesteten und schnellstens wieder von dort abgehauenen Vater zu kümmern - auch wenn es umgekehrt eher nicht der Fall war. Also das mit dem Kümmern und so. Außerdem bin ich gar nicht gut darin. Hab mich ja in jungen Jahren schon nicht gut um meine Mutter gekümmert, ich Rabenkind.

Hm. Bis ins LÄND mal was durchdringt, können unter Umständen Jahre vergehen:
hier gibt Udo Jürgens erstaunlicherweise immer noch Konzerte!😂

Aber im Leben geht es eben nicht um Aufrechnen und Nachtragen, sondern um Auftragen und Nachrechnen unter anderem auch darum, wie man sich ein Stück Menschlichkeit bewahrt und all sowas. Komplexes Thema. Manchmal tut man Dinge nicht unbedingt aus Zuneigung, sondern weil man sich ja wohl kaum schicksalsgebeugt und seufzend darüber beklagen kann, dass auf dieser Welt die "Menschlichkeit verloren geht" (was ich im Übrigen nicht tue!), während man sich selbst wie ein A**** verhält. Ich vermute, das ist so ungefähr des Pudels Kern...

Get your motor runnin'...

Bloß, als ich am Montag wieder (war bereits zuvor über dem Feiertag bei meinem Vater gewesen) hinfuhr, nur um am nächsten Tag ebenfalls fiebrig, hustend und schnupfend flachzuliegen, während der körperlich noch rüstige 80jährige - fit wie ein Turnschuh - auf der Suche nach neuen Abenteuern ungehindert weiter die halbe Stadt ansteckte (da er ja selbst ständig vergisst, dass er krank ist) relativierten sich meine Gewissensbisse und Menschlichkeitsanwandlungen ganz schnell wieder. Aber wenigstens war meine Krankschreibung am Ende nicht "umsonst"... denn ich hatte das Virus am Montag ja schon intus und hätte bestimmt die Kinder und sämtliche (schwangere) Kolleg*innen angesteckt. Glück im Unglück also!

Oh nein, schwanger! Äh... oder so.

GEFÜHLE ERSPÜREN UND GRENZEN WAHREN SIND SUPERTOLL! YIPPIEH! 
ÄH... EIGENTLICH.

Eine nahe Verwandte, die hier vermutlich ab und zu mitliest und bestimmt nicht mit mir und diesem Blog in Verbindung gebracht werden möchte (räbäääh, keiner will mit mir verwandt sein!), hat folgendes sehr Weises (sinngemäß!) gesagt, was ich hiermit gerne an meine Millionen Leser*innen aus aller Welt weitergebe 😂: 

Bloß, weil wir (persönlich, unsere Generation, wer auch immer...) als Kinder emotional verwahrlost und früh komplett auf uns selbst gestellt aufwuchsen, sich keiner um uns geschert hat und wir in Folge derart abgespalten von uns selbst und unseren Gefühlen sind, gibt uns das noch lange nicht das Recht, diejenigen (zum Beispiel die so genannten Generationen XYZ) zu verurteilen, nur weil diese ihre Bedürfnisse kennen und achten. Im Gegensatz zu uns.

Ha! Diejenigen, welche für solcherart Statements verantwortlich sind (gesehen am 3. Oktober in meiner "Heimatstadt") brauchen mir BLOSS nicht mehr mit diesem pseudo-besorgten "...aber das geht doch so nicht, da muss man doch was tun!" kommen, wenn es um meinen dementen Vater geht! Nur, weil es ihnen selbst unangenehm ist, dass man Demente einfach frei rumlaufen lässt.

Könnt sein, dass ich's bei mir selbst in diesem Leben nicht mehr hinkriege, nicht ständig den Eindruck zu hinterlassen, als sei ich so ne harte Nuss-Schrägstrich-coole Socke-Schrägstrich-taffe Kämpferin, aber ich werde von nun an besser auf meine (Vor-)Urteile achtgeben! Andererseits... hach ja, das wär ein Spaß, wenn ich tatsächlich ab sofort meine Grenzen wahren und spontan meinen innersten Bedürfnissen folgen würde. Widerspräche momentan im Übrigen komplett Punkt 1. Aber wie man inzwischen weiß: es könnt alles so einfach sein...

Der Kopf mag vernünftige Gründe aufzählen, aber das Bauchgefühl schreit lauthals wie ein Kleinkind: NEEEEIIIIIN! Lieber ein schneller Tod als in einem solchen Pflegeheim dahinsiechen. Und wenn ich dann noch Pflegepersonal mit den Bewohnern im Beisein ihrer Angehörigen in dieser zuckrig-übelkeitserregenden Tonlage sprechen höre, als wären diese grenzdebil, will ich auch nicht wissen, wie sie mit ihnen reden, wenn keiner dabei ist. Ich verstehe, dass mein Vater dort nicht hin will. Im Übrigen würden die ihn da auch gar nicht aufnehmen, auf solche renitenten Alten können die ja gar nicht aufpassen. Zum Glück kann man niemanden zwingen, auch nicht mit Demenz und Pflegegrad 5. 

IM LEBEN GEHT'S EBEN UNTER ANDEREM UM ÜBERWINDUNG
UND: DAS DEUTSCHLANDTICKET LOHNT SICH DOCH!

Man (also in dem Fall ich!) bekommt eine alte Toilette mit Kalkbelägen aus gefühlt 100 Jahren inklusive sämtlichem unappetitlichen WeißderKuckuck-Stein einwandfrei strahlend sauber - und zwar mit Handschuhen, einem Spachtel, Essigessenz, Armschmalz und viel Überwindung. (Tja, Generation XYZ: das würdet ihr niemals schaffen, ohne euch zu übergeben, Ihr Warmduscher!!! 😂 Uuuups, jetzt hab ich's gesagt!)

Apropos Toilette: der verflixte Bus spart in meinem Fall weder Zeit noch Geld - und wenn dann noch der Wassertank im WC leer ist, dann... äh... angenehme Fahrt! Meine Fahrtzeit mit teurem ICE würde im Schnitt immer noch über 4 Stunden betragen. Mit Regionalzügen (im Deutschlandticket inklusive) nur etwa eine Stunde länger. Außerdem bin ich in dem Fall natürlich zeitlich voll flexibel. Meist sind die Waggons geräumig, sauber und (je nach Uhrzeit) schön leer. Und auch da gibt's (meistens) Wlan und Steckdosen.

Unterwegs im Länd




Übrigens: wenn man sich dösend im Regionalzug zwischen Stuttgart und Ulm befindet, hört man so launige Durchsagen wie "...begrüßen auch die zugestiegenen Fahrgäste auf dem Weg von Stuttgart Hauptbahnhof nach Ulm mit Halt in Esslingen-Brechlingen, Schwächlingen, Sumpflingen, Stumpflingen, Säcklingen bei Unterallersau und Gääääähnlingen..." 😂😂😂

Nach spätestens 4 Tagen und Nächten in einer seit 30 Jahren leerstehenden Wohnung, die man fast schon als "Lost Place" bezeichnen könnte 😂 (welche aber günstig direkt unter der Wohnung meines Vaters liegt) in der ich als Teenager lebte, die später als Büro, allerdings danach nur noch als "Abstellkammer des Grauens" diente (ich sag nur: apricot-beige Rauhfaser, braune 70er-Resopal-Möbeln aus meiner Kindheit) werde ich depressiv. Mit Corona erst recht. Und wer jetzt klammheimlich denkt "Jammern hat noch keinem geholfen!" oder gar "Uuuuh, eine Runde Mitleid!", darf gerne mal über die ungesunde Distanz zu den eigenen Gefühlen nachdenken. So schaut's nämlich aus 😂.

Manchmal entdeckt man Unerwartetes am Horizont

SICH VON ALTEM, SCHÄDLICHEM GLUMP ZU TRENNEN,
WIDERSPRICHT NICHT DEM NACHHALTIGKEITSGEDANKEN.

Im Gegenteil, ihr Lieben! Im Gegenteil. Manchmal vergiftet es tatsächlich die Seele, wenn man alte Dinge behält, an denen böse Geister haften. Und ob es dem Gedächtnis, der Merkfähigkeit und der Weiterentwicklung dient, wenn man sich überhaupt nie von irgendetwas trennt und jeden Scheiß aufhebt, wage ich jetzt einfach mal zu bezweifeln. Emotional belastendes Glump aus der Vergangenheit sollte man meiner Meinung nach in hohem Bogen in die Tonne kloppen! Weg damit! Hinfort mit dem toxischen Schrott! Im LÄND gibt's übrigens sogar einen kostenlosen Sperrmüll-Abhol-Service auf Bestellung, daran sollte sich die Stadt München mal ein Beispiel nehmen.

Großbaustelle Stuttgart 21 mit Seele hinter Gittern

Trotzdem entdeckt man neben lauter wertlosem Müll auch manchmal so einige "Schätze": zum Beispiel originale Square-Toe-Stiefeletten aus den 90ern (!!!), die momentan der hotte Shit sind, mir früher aber scheinbar etwas zu groß waren und daher irgendwo in einem Schrank deponiert und vergessen wurden. Leute, was soll ich sagen: sie passen!! Leider, leider hatte ich Corona-bedingt nicht mehr dran gedacht, sie mitzubringen oder wenigstens zu fotografieren, wird aber nachgeholt.😂

ES GIBT AUCH SCHÖNES IM LÄND

Karlsruhe zum Beispiel hat mich überraschenderweise beim letzten Besuch sehr positiv empfangen. Wie eine Oase des Wohlbefindens, sozusagen. Hatte richtig gute Vibes, freundliche Menschen, und man wäre gleich im wunderschönen Baden-Baden und in nur 1,5 Stunden in Straßburg. Wie komm ich jetzt ausgerechnet auf Kallsruuh? Hatte dort (ist in der Nähe meiner so genannten "Heimat") wenigstens mal für 1,5 Stunden eine gute Zeit. Vor der Erkrankung, versteht sich. Wenn ich beim nächsten Mal dort bin, werde ich für die Stadt garantiert mehr Muße einplanen.

P.S.: um den Titel zu verstehen, muss man wissen, dass im württembergischen Teil von Baden-Württemberg - auch "Ländle" oder neudeutsch "the Länd" genannt - die so genannte "Kehrwoche" Tradition hat, eine Bezeichnung für die geregelte abwechselnde Reinigung gemeinschaftlich genutzter Bereiche wie Treppenhäuser.

Klugscheißer-Zusatzbemerkung: die echten "Schwaben" kommen eigentlich aus Bayern, auch wenn sich die Württemberger selbst so nennen. Die Region, in der ich aufwuchs, heißt weder Baden noch Württemberg, sondern Kurpfalz. Was dazu führt, dass ich (genau wie ihr vermutlich!) über die "polizeiliche Kehrwochen-Verordnung" den Kopf schüttele...!😂

Kommentare

  1. Liebe Maren,

    ich muss es jetzt einfach mal schreiben:
    Ich liebe dich. 😂

    Du weißt, wie es gemeint ist und die Content Creator, die mir jetzt Sexismus oder was auch immer unterstellen wollen, nur um sich über irgendwas aufregen zu können. Ist es nicht!

    Ich mag deine Art, mit Dingen umzugehen, die Sch**** sind und du setzt dich trotzdem nicht in eine Ecke und heulst.

    Ich werde im Laufe der Woche mir in Ruhe deinen Post zu Gemüte führen, der ist viel zu schade, um nur einmal gelesen zu werden.

    Ich weiß, wer Leonhard Cohen ist und ich mag seine fröhlichen Schlager! :-)

    Liebe Grüße,
    Claudia

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  2. ich hätte ein neues klo eingebaut und den sperrmüll-entsorger gerufen :-D
    leider kann man alte nichtmehr auf eisschollen aussetzen - mangels letzterer...... hat auf jeden fall mehr würde als ein altersheim oder im schlafanzug durch die fussgängerzone zu irren.
    deine woche strotzt ja nur so vor content - da können die lattes/bowles/zerknüllte bettwäsche/shopping hauls der o.g. überhaupt nicht mithalten. wobei der neid der mitmenschen dir erspart bleiben dürfte ;-D
    gute besserung! xxx

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