Klangfarben: das Springsteen-Syndrom

Nach wie vor bin ich ja der Meinung, dass man sich drei Dinge im Leben nicht aussuchen kann: seine Familie, seine Beziehungen - und seine musikalischen Vorbilder. Weil, wenn ich das alles wirklich so gewollt hätte... äh. Ich müsste ja verrückt sein. Na gut, lassen wir Familie und Beziehungen hier mal beiseite und beschränken uns ganz auf letzteres. Zu gern wär ich die coole Socke mit dem besonderen, anderen, ausgewählten Musikgeschmack gewesen. Aber das Leben ist halt echt kein Wunschkonzert. 

Eines wird man über meine musikalische Prägung jedenfalls nicht sagen können: dass sie einseitig verlief, auch wenn das vielleicht manchmal so rüberkommt. Bereits als Kind sang ich nicht nur brav alles mit, was die Schule mir vorgab, sondern auch das komplette weiße Album der Beatles. Bis heute beherrsche ich sämtlichen Liedermacher-Kram und die gängigen Brecht-Gassenhauer jener Zeit, weil man mich damit kontaminierte. Zum Glück aber auch mit Pink Floyd, Leonard Cohen, Neil Young oder Thin Lizzy. Gefragt wurde ich natürlich nicht.

Als ich älter wurde, geriet ich ebenso ungewollt in diese Welle namens Wave... düster, elektronisch, cool. Später befiel mich rotziger Rock'n'Roll-Punk, auch Grunge, eine Art Ausschlag in Form von Pearl Jam, Nirvana oder Rage against the Machine. Aber auch mit britischen Bands wie Queen, Marillion, Oasis, Keane oder Travis steckte ich mich früher oder später an. Und dazwischen hatte ich immer mal wieder schlimme Ausbrüche von Mozart, Metallica, Jazz (ertrag ich heute nicht mehr, aber es gab diese schreckliche Phase!), Angelo Branduardi, Tom Waits... ! Dagegen half auch nix aus der Apotheke.

Tatsächlich gehöre ich wohl zu denen, die sich in Stimmen, Gitarrenriffs, Texte, Melodien und/oder Bands heillos schockverlieben können. Wobei sich mir ein Song durchaus zart und leise in Ohr tänzeln kann, romantisch trippelnd wie eine Primaballerina - aber meistens haut er mich um wie ein plötzlich herunterfallender Eisenträger auf einer Großbaustelle. Also von wegen Romantik und Ballett-Schritte. Eher stolpernd, auf wunden Füßen, mit aufgeschrammten, schmutzigen Knien, manchmal unmöglich, vielleicht sogar hässlich - und trotzdem kann ich einfach nicht anders als mich in seine Arme fallen zu lassen. Songs oder Alben, die ich besonders gut finde, kann ich monatelang rauf und runterhören und kriege immer noch nicht genug. Na hört mal, das ist Verliebtheit... wie eine Art Krankheit, was denn sonst...? 

Aber zurück zum Thema: mit 16 Lenzen hatte ich gerade in einem Öko-Musikladen in Heidelberg folgende Schallplatte (für meine jüngeren Leser*innen: damals hieß das noch so!) erstanden... und in diesem Fall kaufte ich das Album - Leute, ich war 16!!! - nicht nur, aber eben auch wegen des schönen Mannes auf dem Cover.

Ein Album, welches nicht nur ich, sondern auch auserkorene Opfer (also einfach jeder, der zufällig den Fuß auf der Schwelle zu meiner Tür hatte😁) im Laufe der folgenden Monate in Dauerschleife anhören musste(n), nach dem Motto: "Jetzt rate mal, wer...?". Niemand kam drauf, by the way.

"The wild, the innocent & the E-Street-Shuffle" war sozusagen meine Einstiegsdroge. Und auch, wenn mir das wahrscheinlich keiner glaubt (weil ja alle nur das zutiefst missverstandene "Born in the USA" kennen und berechtigterweise doof finden - geht mir auch so!) die Musik war: FUNKY. SOULIG. JAZZIG. Wie BRASSBAND-meets-BERNSTEIN-meets-BLACKSOUL-meets-FOLK-BEKIFFT-in-NEWYORK. Ja, klar, auch irgendwie ROCKIG. Aber das nur so nebenbei. Und nein, keine Sorge, ich tu jetzt noch nicht mal so, als hätt ich Ahnung.

Aber seither bin ich halt nun mal infiziert, ist ja nicht so, als hätt ich diesen Weg bewusst gewählt. Vor allem möchte ich jetzt nicht darüber reden, was mich bisherige EINTRITTSKARTEN, HOTELS und die ganzen PILGERFAHRTEN insgesamt gekostet haben. Nicht nur Geld, sondern auch Nerven und schmerzende Füße! Diesmal pilgerte ich sogar in die tiefste Pampa zum HOCKENHEIMRING, obwohl Springsteen und die E-Street-Band zwei Tage später quasi vor der Haustür in MÜNCHEN gespielt hätten, aber für München hätte ich nur eine Karte für Rang fünfhundertzweiundsiebzig oder so bekommen.

Für the big City of Hockenheim hatte ich immerhin "Front of stage 2" erstanden, was schlichtweg bedeutete, dass ich zwar nicht jedes ins Mikro gesabberte Spucketröpfchen eines inzwischen stimmlich eher altersschwachen und vom Leben gezeichneten Steve van Zandt erspähen, ihn aber immerhin trotz Kurzsichtigkeit von den anderen Bandmitgliedern unterscheiden konnte. (Hmmmm. Vielleicht sollte ich ja doch für den ROLLING STONE schreiben...!😁)

Und superhippes Outfit war mir vollkommen wurscht, denn es war heiß und ich hatte mehrere Kilometer vor mir. Ja, klar, gar keine Frage, auch ich bin zu alt für den Scheiß, aber hey, was soll ich machen? So ging ich also vom Hotel los:

Man muss sich das so vorstellen: ein Heuschreckenschwarm fällt urplötzlich 
in ein kleines, beschauliches, kurpfälzisches Dorf ein...

... vom S-Bahnhof geht man dann eine Stunde (!!) zum Ort des Events

(und natürlich auch wieder zurück!)

Es fährt ja nix. Shuttlebusse würden eh nicht durchkommen.

Aber die Anwohner sind nicht blöd: 

sie stellen Pavillons in die Vorgärten und verkaufen Wasser und Bier 

für die durstigen Pilger... natürlich mit Gewinn!

Bin beim Ankommen schon völlig fertig und genehmige mir erstmal 

einen Prosecco im Plastikbecher😁:

Und so eine Bauchtasche ist auch praktisch, 

weil man ja keine Taschen "größer als A4" 

mit ins Stadion nehmen darf... 

außerdem kann man den Prosecco hier gut einklemmen:

... und dann geht's irgendwann endlich los und man fragt sich, 

wie lange man noch so stehen kann, 

ohne verrückt zu werden (boah, ich hasse Menschenmengen!)

oder dass die Knöchel anschwellen. Beim nächsten Mal ziehe ich mir vielleicht 

Kompressionsstrümpfe über...?

Ich mag das alles hier gar nicht noch länger ausführen, aber nein: ich bereue keine Sekunde und keinen Euro. Zumal ich mich die nächsten fünf Jahre grün und blau geärgert hätte, wenn ich nicht gegangen wäre, und die Gelegenheit hätte verstreichen lassen. Der Mann ist inzwischen 73. Wer weiß, wie lange der noch durchhält. Na ja... vermutlich länger als wir alle, denn er hüpfte fit wie ein Turnschuh über die Bühne und rockte das Stadion scheinbar mühelos.

Und dann war ja auch nicht alles völlig bekloppt und umsonst. Den Konzert-Besuch konnte ich nämlich mit einem Besuch in meiner "alten Heimat" bzw. mit einem Familientreffen verbinden: am nächsten Tag ging's mit den alten Eltern und der Schwester zum Mittagessen in die Pfalz...

... und am Tag darauf traf ich mich solo mit meiner Schwester in Mannheim...

...wo wir einen Bummel durch die Stadt machten, den schönen alten Wasserturm "bestiegen"...

...von dem man aus einen sehr schönen Blick auf die Stadt hat...

... und ein leckeres, vietnamesisch-veganes Mittagessen genossen!

💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕

Am nächsten Sonntag befinde ich mich schon in weiter Ferne... 

Ich hoffe, ich kann pünktlich posten, zumindest kurz...

falls nicht, mach Euch keine Sorgen!

Ich melde mich... vielleicht etwas später als gewohnt...!

💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕💕