In Bangkok wohnen: Bang Krachao: Bangkoks grüne Lunge

Wer glaubt, dass die Megacity Bangkok ausschließlich aus Hochhausschluchten und Straßenlärm besteht, der täuscht sich gewaltig. Sozusagen inmitten der geschäftigen Metropole befindet sich eine kleine Enklave im Fluss Chao Phraya: Bang Krachao, auch bekannt als „Bangkoks grüne Lunge“, ist Regenwald-Dschungel, meditativer Rückzugsort, üppige Vegetation, unberührte Natur und idyllisches Fischerdorf in einem! 

Statt mehrspuriger, stinkender Straßen findet man schmale Radwege vor... Moment mal: Radwege? Ja, ihr habt richtig gehört! Es macht nicht nur richtig Spaß, die Insel auf dem zugegebenermaßen etwas klapprigen gemieteten Drahtesel zu erkunden, sondern es gehört einfach dazu. Die Flussinsel ist zwar nicht ganz motorenfrei, aber doch sehr reduziert, und man kann sich endlich mal sorglos auf den Sträßchen und versteckten Pfaden bewegen. 

Ist ja in Bangkok ansonsten eher nicht so der Fall. Ich sag nur: zischende Garküche von vorn, knatterndes Moped von hinten, halb geöffneter Gullideckel, Schlagloch und schlafender Hund am Boden, dazwischen kreuz und quer entsetzt hupende Tuk-Tuks , weil man es gewagt hat, bei Grün über den so genannten "Fußgängerüberweg" zu gehen, ts! Wer also gerne mal ein echtes Achtsamkeitstraining absolvieren möchte, Bangkok ist der Ort.

Um den Tag auszukosten, fahre ich bereits recht früh mit der BTS zur nächstgelegen Station und bilde mir ein, dass es von dort aus zu Fuß - wie so ein launiger Scherzkeks von Reiseblogger es bestätigt hatte - nur ein Katzensprung zur Fähre ans andere Flussufer sein wird. Aber was bitte in dieser Riesenstadt ist nur ein Katzensprung? Das konzentrierte Gehen in der Hitze auf hartem Asphalt neben vierspuriger stinkender Abgase ist vor allem ermüdend und mir wird mal wieder klar, warum hier quasi an jeder Ecke Fußmassagen angeboten werden... 😁

Schließlich erreiche ich die Fähre und es geht für den stolzen Preis von 5 Baht (ca. 13 Cent) ans andere Ufer, wo beim Aussteigen sofort klar wird: hier ist alles anders! Und das hoffentlich noch sehr lange, denn Bang Krachaos ursprünglicher Charme, die sozusagen konservierte Natur und natürlich die unmittelbare Nähe zur Stadt haben die Insel zu einem Geheimtipp für einflussreiche Bauunternehmer gemacht, die wie überall auf der Welt, wo Landflächen knapp und Korruption verbreitet sind, ihre Chance wittern, um den noch größeren Reibach zu machen. 

Momentan wird daher an mehreren Fronten um das Bestehen des für die Stadt so wichtigen Naherholungsgebiets gekämpft, verschiedene Organisationen und Projekte setzen auf Erneuerung und vor allem Erhalt der Insel als öffentliche Grünfläche, mit dem Ziel, mindestens 60 % der "grünen Lunge" vor Bebauung zu retten. 

Der Unterschied zum Rest von Bangkok lässt sich vor allem aus der Vogelperspektive gut erkennen!
 wikipedia.org/wiki/Bang_Kachao

Von hier aus ist die Großstadt nicht nur visuell ans andere Ufer gerückt - auch Geräusche wie Vogelzwitschern, Froschquaken oder Zikadenzirpen erfüllen die spürbar bessere Luft und ich fühle mich augenblicklich aufs Land - und teilweise mitten in einen grünen Regenwald-Dschungel - versetzt.

Das sehr hübsch gestaltete, aber komplett leere (hier ist vor allem am Wochenende viel los, wenn die gestressten Bangkoker nach Erholung streben!) Hidden Woods Café macht seinem Namen alle Ehre: man muss es inmitten des riesigen Bambus- und Palmenwalds erst mal finden! Das tue ich und bestelle mir ein ordentliches Frühstück bestehend aus Kaffee, Kokoswasser und einem leckeren Omelett.

Dass Bang Krachaos Natur so gut erhalten ist und eben nicht - wie in Bangkok sonst so üblich - komplett verbaut wurde, hat die Insel mehr oder weniger einem Khlong zu verdanken. Das ursprüngliche Sumpfgebiet an der Südseite des Chao Phraya wurde bis ins späte 20. Jahrhundert hauptsächlich zum Anbau von Zuckerrohr und Kokosnüssen genutzt und der ausgehobene Kanal diente der Bewässerung der Pflanzen.

Dadurch wurde aus der ehemaligen Halbinsel eine Insel, welche - ohnehin in einer Schleife des Flusses eingebettet und nun rundum umgeben von Wasser  - wegen seiner Unzugänglichkeit jahrelang einfach links liegen gelassen wurde, was ja für die Natur eh immer das Beste ist. Es sorgte zumindest dafür, dass dort bis heute keine breiten Straßen oder Wolkenkratzer gebaut wurden. Durch die abgasbedingte Smogglocke, welche speziell in den 1980er Jahren über Bangkok hing, wurde Bang Krachao als Naherholungsgebiet für Stadtbewohner wiederentdeckt und weiterentwickelt.

Ich hoffe natürlich, dass das wunderschöne Bang Krachao noch möglichst lange als grüne Lunge fungiert. Momentan ist ja hier so einiges im Umbruch, und man wird sehen, was umweltpolitisch noch passiert und möglicherweise die lukrative Bebauung auch künftig verhindert. Dass die Insel für die Villen und Luxus-Condos der Reichen und Schönen attraktiv ist, steht ja außer Frage. Welch ein Paradies inmitten der Mega-Metropole.

Ach ja: auf dem Rückweg von der Fähre zur BTS trage ich auch zur Umweltverschmutzung bei und gönne mir ein Taxi. Bewegung hatte ich an diesem Tag ja wohl genug... und meine malträtierten Füße danken es mir! 😁