Sunday Colours: das Privileg der mittleren Jahre


Die große Kunst im Leben ist es ja, sich seiner Privilegien bewusst zu sein und sie schätzen zu lernen. Also, die, die man hat, und nicht die, die einem vermeintlich fehlen! Denn letzteres erzeugt ja bloß Neid und Missgunst. So ist es beispielsweise von großem Wert, wenn man das Privileg der Jugend genießen kann, so lange man jung ist - und die Privilegien der späteren Jahre eben, wenn man älter ist. Denn erst dann kann man sein Leben wirklich voll ausschöpfen. 



Ihr findet, das klingt (zu) einfach? Isses auch. Das Leben ist einfach. Von leicht war nie die Rede. Jedenfalls frage ich mich ab und zu, ob ich mein Leben wirklich "ausschöpfe". Andererseits klingt das auch nach permanenter Anstrengung und Selbstoptimierungswahn... und manchmal ertappe ich mich bei dem radikalen Gedanken, dass ich eigentlich nur so vor mich hin trudeln will. Ganz ohne optimierter und effizienter Ausschöpfung jeder verstaubten Ecke meines Daseins...



Konnte ich als junger Mensch das Privileg der Jugend schätzen? Hahaha. Wohl kaum... außer vielleicht ganz kurz, bei diesem Gefühl, welches irgendwie immer mit offenen Autodächern, sommerlichen Temperaturen und Bleifüßen auf dem Gaspedal zu tun hatte. Ich war überzeugt, unsterblich zu sein, und ich fühlte dieses rasende, brennende, Herzklopfen verursachende, lebenshungrige und verrückte Gefühl: das Leben ist diese Straße, die noch vor mir liegt. Echt jetzt.


Ansonsten fühlte ich mich in meiner "Jugend" oft eher abgeklärt, allwissend und "fertig" - in jedem Sinne! Und je älter ich werde, desto mehr... und jetzt kommt's: weiß ich um das Privileg der Jugend. Aber das ist natürlich eher kontraproduktiv. So kann's ja nicht funktionieren... Dabei kann ich faktisch festhalten: ich möchte nicht mehr 20 sein. Das war teilweise nicht so lustig. Ich fasse mal eben zusammen: Selbstzweifel, finanzielle Not und Liebeskummer. Na, ich verzichte dankend! Also, ich wär vielleicht gerne 20 mit der Gelassenheit von heute, aber so geht's ja nicht... (Und für alle, die mich kennen und bereits kreischend am Boden liegen: "Gelassenheit??? Welche Gelassenheit!???" - äh. Ich bin innerlich gelassen. Ts!)



An den Privilegien meiner persönlichen "mittleren Jahre" schätze ich hingegen, dass ich mich nicht mehr wegen allem so verrückt machen muss. Dass ich nicht überall sein muss und trotzdem weiß, dass ich nichts verpasse. Dass ich nicht pausenlos gut aussehen und immer Recht haben muss. Dass ich irgendwie ganz souverän bin, das aber nicht jedem auf die Nase binden muss. Und es außerdem auch sowieso kaum eine Rolle für mich spielt. (Das ist dieses Paradoxon: in dem Moment, wo man es als okay empfindet, verunsichert zu sein, ist man es plötzlich nicht mehr). Dass ich alles und vor allem: mich selbst nicht mehr so tierisch ernst nehme. Und dass die Kohle einigermaßen stimmt, weil ich weiß, dass Geld allein zwar nicht glücklich macht, es aber besser ist, (so sagte mal Mae West), "im Taxi zu weinen als in der Straßenbahn".



Aber dieses das-ganze-Leben-ist-die-Straße-die-noch-vor-mir-liegt-Gefühl, ach. Das hab ich leider verloren. Beziehungsweise überwiesen ans Privilegien-Konto der Jugend. Falls die es überhaupt haben wollen (ich bezweifle es stark...). 


Das Wetter schlägt Kapriolen, mal heiß, mal kühl...
Kleid: alt! 😀
Jerseyblazer: Benetton
Schuhe: alt! S. Oliver
Tasche: ok, ich sag's nicht mehr: hab ich schon länger... von TkMaxx

Es ist auch ein Privileg, in 20 Minuten am Starnberger See zu sein...

Kommentare

  1. Das hast du schön gesagt Und mit "Und es außerdem auch sowieso kaum eine Rolle für mich spielt." hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Genau so isses. Und genau deshalb kann ich diesen ganzen Selbstoptimierung-Kram hervorragend zeitweise ignorieren und vor mich hin trudeln, wenn ich genau dazu Lust habe.
    Außerdem liebe ich dein Kleid! Warum kann das mal nicht aktuell im Laden hängen? *schluchz*
    Liebe Grüße
    Fran

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    1. Dankeschön! Ja, ich glaube trudeln ist das neue effizient! Und macht eh mehr Spaß!
      Solche Kleider hängen eher in Second-Hand-Läden oder bei TK Maxx, wie in meinem Fall ;-DD Danke!
      Liebe Grüße
      Maren

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  2. Das Gefühl unsterblich zu sein und, wenn ich es will, alles möglich zu machen, hatte ich bis weit über meine Jugend hinaus. Bewußt geworden ist mir das aber erst, als es weg war. Als ich realisert hab, dass mit Parkinson nicht mehr alles machbar ist. Das war zunächst ernüchternd, bei genauem Betrachten jedoch war es nur ein Gefühl. Die Realität sah meistens anders aus, in der Jugend und danach. Sachzwänge nennt man das meistens :-). Ich hab für mich den Schluss gezogen, dass wenn ich mich heute bewußt auf etwas einlasse, den Moment auskoste, dieses Gefühl wieder da ist. Die Straße, wie Du schreibst, wieder vor mir liegt und genau diese Etappe etwas besonderes ist. Ein Privileg zweifellos.
    Danke, für Deinen nachdenklichen, anregenden Post, Maren. Deine bunte Brille ist ein gutes Omen für das was kommt. Nicht rosige Zeiten, aber bunte.
    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Danke, Sabine für Deine nachdenklich machenden Zeilen dazu! Denn darum sollte es eigentlich gehen: den Moment als unendlich begreifen, sozusagen. Etappen machen und genießen. Das gelingt mir nicht immer.
      Genau das ist es, weshalb ich Deinen Mut so bewundere: dass Du trotz dieser Ernüchterung, wie Du schreibst, so eine positive Ausstrahlung und Lebenslust bewahrt hast. Ich denke, dass einen so eine Krankheit vielleicht auch die Chance gibt, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Aber das ist jetzt leicht daher gesagt...
      Genau: bunte Zeiten voraus!!! Und die werden wir genießen!
      Liebe Grüße
      Maren

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  3. Hach ja Maren Du hast so recht. Ich dachte schon ich bin faul geworden, aber ehrlich jetzt ich bin einfach unendlich gelassen. Weisst was man sich da auch spart? Enttäuschungen durch zu hohe Erwartungen. Ich nehms wies kommt und wies kommt isses gut.
    Du siehst klasse aus, das Kleid ist super schön. Und Hallo Du kannst gar nicht oft genug erwähnen, dass nicht alles neu ist was Du trägst :)
    Ich hab mir auch vorgenommen, weniger neu. Eins pro Monat, Unterwäsche und Socken ausgenommen :)) Hoffe das klappt, hab doch so einen Taschenfimmel... aber mein Geld wird noch lange Zeit in das neue alte Haus fließen. Was sind dagegen Klamotten vergänglich ;)
    Schönen Sonntag, liebe Grüße Tina

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    1. Hihi, das merk ich mir, wenn ich das nächste Mal auf dem Sofa rumgammle: ich bin nicht faul, nur unendlich gelassen! Stimmt, Enttäuschungen spart man sich auch viele, das merke ich tatsächlich! Früher war ich oft enttäuscht, jetzt nehm ich es locker...
      Dankeschön <3
      Da hast Du Recht, Tina, Klamotten sind vergänglich. Wie wir! Deshalb könnte man jetzt natürlich dagegen argumentieren: weil wir vergänglich sind, kosten wir alles aus, und dazu gehören Handtaschen unbedingt! Nein, Spaß, Dein Vorsatz ist ein guter! Und dass Du momentan ins alte Haus investierst, ist auch verständlich! Sei nur nicht so streng mit Dir selbst... :-D
      Dir einen guten Wochenstart, liebe Grüße, Maren

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  4. Der Jugend trauere ich nicht nach, finde aber, dass ich meine Freiheiten hätte noch mehr genießen sollen, statt sich so voll auf ein leistungsorientiertes, berufliches Leben einzulassen. Das ist mein Fazit: Das Primat der Arbeit war einfach sch...
    Ich hatte so viele andere Möglichkeiten & Talente, die ich hätte mehr auskosten sollen. Denn mein Ende im Berufsleben war einfach gräßlich ( und leider bin ich noch nicht wirklich darüber hinweg ).
    Ich hoffe jetzt, dass mir noch etwas zeit bleibt für die anderen Seiten der Frau K. Nachdem ich eine neue Hüfte habe, bin ich ja wieder besser zu Fuß bzw. wieder flink, was die Bewältigung des Alltags anbelangt. Aber dafür holen den Gefährten nun die Widrigkeiten des Alters ein... Und die kommen auf einmal viel schneller, als einem lieb ist und man sich vorgestellt hat.
    An den Starnberger See muss ich doch auch mal, wenn ich wieder in München bin.
    Einen schönen Sonntag!
    Astrid

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    1. Nein, nachtrauern macht auch überhaupt keinen Sinn! Und wie Du auch immer gelebt hast, es ist ja vorbei, das wäre es auch, wenn Du die Freiheiten mehr ausgekostet hättest...
      Schade ist es, dass Du Möglichkeiten und Talente nicht so ausgekostet hast, und erst recht, dass Dein Ende im Berufsleben gräßlich war! Das hört sich nicht gut an. Aber ich denke, da Du jetzt davon befreit bist, kannst Du Deine Talente und Möglichkeiten jetzt entfalten (was Du bestimmt ja auch tust!). Und wie Du schreibst: die neue Hüfte ermöglicht Dir vielleicht ganz neue Taten :-) Ja, das glaub ich auch, dass die Widrigkeiten oft schneller da sind, als es einem lieb ist... Spricht wirklich dafür, den Moment auszukosten.
      O ja, die ganzen Seen im Münchner Umland sind toll!
      Danke, Dir einen schönen Start in die Woche!
      Maren

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  5. interessant!
    zum glück war mir in meiner jugend - so bis 40 ;-D - total bewusst (also irgendwie unbewusst bewusst) wie jung ich bin und dass das schamlos ausgenutzt werden muss in jeder beziehung. klar gabs auch kummer, aber meist gab ich "vollgas" und das ganz ohne PS.....
    einen nachteil hatte diese "verschwendete" (nach bürgerlichen regeln) jugend - keine altersvorsorge. aber egal - lieber eine wilde jugend als ein ewiges, langweiliges, wohlsituiertes alter.
    insofern ist das grösste privileg, dass ich überhaupt noch lebe - hihi.
    ich mag deine sonnenbrille!!
    xxxxx

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    1. Naja, was los war bei mir ja auch dauernd. Über Langeweile konnte ich echt nicht klagen... das hab ich auch nicht gemeint. Aber so richtig bewusst geschätzt hab ich es nicht. Nicht so, wie ich heute Dinge, das kleine Glück etc.pp. schätze. Das ist von hohem Wert.
      Ich finde, genau so sollte man leben, wie Du es beschreibst: Vollgas, wenn man noch kann! Und über den Begriff "Verschwendung" kann man eh streiten. Ich habe auch Jahre mit jobben und reisen "verschwendet", wo ich doch hätte die Schule besuchen bzw. studieren können... damit ich später keinen "Karriere-Knick" habe... war sogar mal über Monate arbeitslos, das war echt eine schöne Zeit, weil ich mal nicht den Druck hatte, blöde Jobs machen zu müssen... und ich hatte ja genügend Perspektiven. Hmmm, vielleicht hab ich alles doch mehr geschätzt, als ich rückblickend denke...???
      Ich hör jetzt auf zu denken, das macht einen ja verrückt! :-DDD
      Dass Du noch lebst, ist nicht nur ein Privileg, sondern auch ich freu mich total darüber, so einen Menschen wie Dich virtuell zu kennen <3!!!
      Danke!
      xxxxx

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  6. Also: Ich finde schon, das Leben ist leicht. So leicht, wie man es sich macht. Es ist immer das selbe, nur fühlt es sich eben immer anders an.
    Manchmal wünschte ich mir das gefühl von Unsterblichkeit meiner 20er zurück. Immer noch alles offen. Sehr intensive Gefühle. Sehr. Sehr viel Liebe, sehr viel Schmerz. Sehr viel "lila Benz". Ich habe es geliebt. Dann wurde ich erwachsen. Ober dieser "Hippiebus", dieser kleine Bully. Er ist noch immer in meinem Herzen. Und eines Tages braust er los.
    LG von einer Sunny die noch immer die Energie hätte um eine Rockdisko zum "erbursten" zu bringen. :-)))))

    Wenn Du nachlesen magst:
    hinter diesem Link findest Du meine gesammelten Posts zum Thema "Das Leben ist leicht".

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    1. Hab mal reingelesen... sehr schön und positiv! Vielleicht komm ich jetzt rüber wie ein Wortfetischist, aber ich meine, das Leben ist "einfach", im Sinne von: es ist nicht kompliziert. Wie Du in einem Beitrag schreibst: es ist immer das gleiche. Nur leicht ist es nicht immer... z.B. wenn Schicksalsschläge passieren, Tod, Krankheit etc. Das meinte ich. Passiert ja zum Glück nicht dauernd.

      Liebe Grüße von einer Maren, die vielleicht auch noch eine Rockdisco zum "erbursten" bringen könnte - aber befürchtet, dass die anderen Gäste dann sagen "Mei, jetzt kommen die schon zum Sterben her!" ;-DDDD

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  7. Hi liebe Maren,
    ja, das ist sicher ein Privileg, wenn man in 20 Minuten am Starnberger See ist :) Ein wieder toller Post! Ich selber bin sehr froh, dass ich nicht mehr jung bin. Abgesehen davon, dass ich in der Zeit nicht sonderlich glücklich war (aufwärts ging es erst ab 30), weiß ich sicher, dass ich es damals niemals erkannt habe, was es für ein Privileg ist, jung zu sein! Entsprechend schätze ich es heute um so mehr, dass ich so zufrieden bin und mit mir selber nicht mehr dauernd hadern muss :) Wobei: Du bist doch noch jung! Ich kenne praktisch niemanden, dem im Herzen so jung geblieben ist, wie Du (und ich kenne Dich bisher ja leider nur virtuell). Und das liegt nicht nur an Deinem tollen Outfit mit dem süßen Kleid <3
    Alles Liebe von Rena
    www.dressedwithsoul.com

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    1. Hi liebe Rena,
      Ja, bei mir ging's auch in meinen 30ern so richtig aufwärts! Daher kann ich das gut nachvollziehen... Und dass Du glücklich bist und mit Dir selbst nicht mehr hadern musst, dass spürt man auch durch jede Pore, wenn man Dich sieht und liest... :-DD Und das ist einfach schön zu spüren!
      Ach Rena... :-D Dieses Kompliment versüßt mir diesen eh schon sonnigen Tag <3
      Alles Liebe von Maren

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    2. Hi liebe Maren,
      dann sind wir direkt Schwestern im Geiste <3
      Und das ist nicht nur ein Kompliment sondern meine ehrliche Meinung!
      Alles Liebe von Rena

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  8. Perfektionismus ist selten gut. Dann doch lieber das einfache Leben mit allen Höhen und Tiefen. Das klingt für manche langweilig. Für mich ist es eine sichere Bank. Ich trauere Dingen, die nicht realisierbar sind, nicht mehr hinterher, sondern konzentriere mich nur noch auf das, was - ohne unnötige Energie zu verschwenden - machbar ist. Trotzdem darf man weiter träumen oder Dinge ändern, die nicht stimmen.

    Stimmig ist auf jeden Fall Dein Outfit mit dem süßen Kleid.

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    1. Stimmt, ich geb Dir Recht! Perfekt sein geht ja sowieso nicht. Und egal, ob das für andere langweilig klingen mag oder nicht, wichtig ist doch, dass es Dir damit gut geht!
      Und natürlich darf man - soll man! - weiterträumen und Dinge ändern, die nicht stimmen. Das seh ich genauso.

      Danke Dir, Sabine!

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  9. Vielen Dank für deinen interessanten Artikel! Ich hatte das Privileg, eine wundervolle Kindheit und Jugend zu haben, was nicht selbstverständlich ist! Aber "bewusst zu sein und sie schätzen zu lernen" habe ich nur später gelernt, als die Probleme auftraten!
    Heute, im Alter von 60 Jahren, habe ich das Privileg, in Frieden mit mir selbst zu sein und das Leben zu genießen. Mir ist ganz klar, dass vieles an mir selbst liegt!
    Jaaa, das Leben ist einfach!
    Du bist doch noch jung, genieße dein Leben! Es vergeht alles schneller als man gucken kann, nicht wahr? ;)
    Du siehst, wie immer, ganz zauberhaft! Kleid, Tasche, Brille - super schön!
    Liebe Grüße,
    Claudia

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    1. Danke Dir, liebe Claudia! Ich denke, Du hast Recht... bewusst etwas zu schätzen, das kann man oft nur, wenn Probleme auftreten... und wenn Du mit 60 Jahren mit Dir im Reinen bist und das Leben genießt, dann finde ich das wunderbar!
      Oh ja, jung ist natürlich relativ. Heute denk ich auch, 40 ist jung! Das dachte ich allerdings mit 40 nicht ;-DDD Alles vergeht so schnell, das stimmt leider auch... *seufz!*...
      Vielen Dank für die Komplimente <3
      Liebe Grüße
      Maren

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  10. Liebstige Maren,
    "Selbstzweifel, finanzielle Not und Liebeskummer" ist auch für meine Jahre zwischen sagen wir mal 18 und 30 eine ganz gute Zusammenfassung. *) Bis auf die Zeiten, wo ich gerade glücklich verliebt und mit mir selbst im Reinen war. Aber rein gefühlsmäßig standen die letztgenannten Zeiten zu den erstgenannten ungefähr im selben Verhältnis wie die Zeiten, wo auf dem Konto gerade das doppelte Gehalt draufgebucht worden war zu den Zeiten, wo ich das Konto heillos überzogen hatte - und zwar nicht, um mich einem Luxusleben hinzugeben, sondern einfach um zu essen, zu trinken, zu wohnen, mich auf sehr bescheidene Weise zu kleiden und... ja, zu reisen (Interrail und Rad- oder Busurlaube vor allem - ohne die hätte ich meine Jugend vermutlich nicht überlebt... sie und die Ausstellungen, die ich damals neben meinem Brotjob gemacht habe, sind auch der Grund dafür, dass ich mir heute denken kann, ich hatte damals eine durchaus auch abenteuerliche und lebenswerte Zeit).
    *) Und VOR 18 wollte ich endlich frei und selbstbestimmt sein - was nicht wirklich gut gelingt, wenn man dann in dieser "Freiheit" ständig mit Selbstzweifel, finanzieller Not und Liebeskummer beschäftigt ist ;-))
    Heute denke ich mir auch, ich wusste damals gar nicht, wie (relativ) hübsch und schlank ich eigentlich war und ich wusste es auch nicht zu schätzen, dass mir kaum mal etwas weh tat. Inzwischen trifft auf mich leider schon der Spruch zu, den mein Vater einst gern getätigt hat: "Wenn ich in der Früh aufwache und es tut mir nichts weh, bin ich wahrscheinlich tot"... Nach meinem 30. Geburtstag sind jedoch ein paar Dinge passiert, die mein Leben ziemlich nachhaltig geändert haben - ich wurde Mutter, kam mit meinem Mann zusammen (in dieser Reihenfolge), wir zogen zusammen, kauften - nachdem das Zusammenleben sehr gut funktionierte - ein Haus "am Land", heirateten (wieder in dieser Reihenfolge), unternahmen viele unvergessliche Reisen und anderes Spannendes, der Garten, der zum Haus gehört, wurde schöner und üppiger - und all das sind zwar Dinge, die vielleicht ein bissl bürgerlich und teilweise banal klingen mögen, aber von mir relativ unbürgerlich interpretiert und genossen werden. Und die mir Kraft geben. Dass zwischenzeitlich auch Menschen gestorben sind, die mir wichtig waren, ist einerseits traurig, andererseits ein umso stärkeres Signal, das Leben möglichst nicht mit "Hadern" zu verbringen, nur weil da und dort nicht alles perfekt ist. Ich bin natürlich nicht mit ALLEM in meinem Leben zufrieden, aber mit sehr, sehr vielem - daran freue ich mich. Und ja, das ist ein Privileg. Absolutely!
    Oh, und du samt deinem Outfit heute, ihr wirkt sehr schön und entspannt. Sicher prima zum Trudeln geeignet, aber nicht nur ;-)
    Herzlichst, die Manchmal-Trudel- Manchmal-Nichttrudel -Traude
    PS: You made my day mit "Mei, jetzt kommen die schon zum Sterben her!"

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    1. Oh ja, das mit dem überzogenen Konto kenn ich nur zu gut ;-D Und genau aus dem Grund: ich wollte ganz normal existieren, keine Luxusgüter anschaffen! Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, ich war 19 und wohnte mit meiner Schwester zusammen in einer billigen (Bruch-)Bude, und es war Winter und uns ging das Heizöl aus! Zum Glück war eine Freundin zugegen, die resolut entschied, dass wir unseren Vater anpumpten! (Wir wären zu stolz gewesen!). Sowas zu erleben ist sicher wertvoll, aber das muss ich echt nie mehr haben...
      Welche Ausstellungen hast Du denn gemacht? Hört sich spannend an! ich hab nur mitbekommen, dass Dein Mann und Du tolle Fotos macht... die Ihr ausstellt?
      Was Du sagst, kenn ich auch zu gut: ich wog damals bestimmt 15 Kilo weniger als heute... und fühlte mich fett! Ich hatte echt den Vollknall. Also, allein die Anstrengung, möglichst nicht ZU DICK und ZU HÄSSLICH auszusehen (und am besten gar nicht zu sprechen, zu atmen und bloß nicht unsicher rüberkommen) - das kostete ganz schön Nerven ;-DD
      Ich finde, dass jede(r) das Recht hat, so zu leben, wie es ihn glücklich macht. Ob andere den Stempel: bürgerlich oder langweilig oder sonstwie draufdrücken, sollte einem egal sein! Was spricht außerdem dagegen? Ich glaub jetzt nicht, dass die supercoolen "Urbans" in der City mit ihren schwarzen Designerbrillen auf irgendeine Weise weniger bürgerlich sind... eh wurscht!
      Ja, auch die Erkenntnis, nicht mit allem zufrieden zu sein, und trotzdem sich zu freuen - genau! Das isses.
      Und lieben Dank fürs Outfit-Lob, liebstige Traude, ob getrudelt oder nicht...
      Herzlichst, Maren
      P.S. den Spruch hab ich tatsächlich von meinem "Dad" das erste Mal gehört! Fand ich auch witzig!

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  11. Jetzt melde ich mich auch noch schnell zu Wort, liebe Maren, wenn ich darf. Ich finde nämlich, dass der Mensch ja immer gerne zum nostalgischen Verklären neigt - und das hält ja eben in der Regel nie mit der damaligen Wirklichkeit Stand. Natürlich denke ich mir auch manchmal, wo sind denn bitteschön die letzten 20 Jahre so schnell geblieben - und warum werde ich denn nicht gefragt, ob ich denn jetzt (!!) schon Mitte 40 sein will ;-). Aber wenn ich mich von einer Zauberfee zurück beamen lassen dürfte, dann würde mir in der Tat keiner meiner vergangenen Lebensabschnitte als bessere Alternative zu heute einfallen. Klar ist diese frische "Früher-Morgen-Stimmung" und auch dieses herrliche Gefühl ewiger Jugend etwas gewichen. Aber dafür habe ich nun eine bessere Vorstellung von mir und dem Leben und fühle mich heute auch deutlich erfüllter, zufriedener und sogar manchmal glatt mal etwas klüger. Und statt "früher Morgen" ist die Stimmung jetzt quasi eher wie "Mittag und gut gegessen". Ist ja auch nicht schlecht ;-). Dann schaue ich also mal, was der Nachmittag des Lebens so bringt :-).
    Liebe Grüße
    Hasi

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    1. P. S.: Ich hoffe Dein Kleid und der Blazer sind noch lange keine Vergangenheit - die sehen nämlich super aus!

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    2. Du darfst nicht nur, liebe Hasi, Du bist herzlich willkommen und ich freu mich total über Deinen Kommentar! ;-D
      Und gleich muss ich Dir Recht geben: der mensch neigt zum nostalgischen Verklären, stimmt! Daher kommen ja auch die etwas zweifelhaften Sprüche wie "früher war alles besser..." etc.pp. War es das wirklich?
      Und he, mir geht's wie Dir: mich hat auch keiner gefragt, ob ich plötzlich (noch in diesem Jahr) 50 sein will. Verdammt. Die haben das einfach so entschieden!
      Deine Vergleiche mit "früher Morgen", "Mittag, gut gegessen" und "Nachmittag" gefallen mir sehr... welch schöne Symbolik! Dann steuern wir also ziemlich direkt auf's Kaffeekränzchen zu, was ;-D??? Aber noch ist nicht aller Tage Abend... hehe.
      Danke auch für Dein Lob, die Sachen sind natürlich noch nicht Vergangenheit...
      Liebe Grüße,
      Maren

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  12. Hast Du mein zustimmendes Nicken gesehen oder erahnt? Toll liest sich Dein Text. Ich kann von mir sagen, angekommen zu sein und innerlich zufrieden zu sein. In jungen Jahren war da noch so viele Unsicherheiten. Ich genieße es, mitten im Leben zu stehen und im mittleren Alter ;-). 20 Jahre alt möchte ich nicht mehr sein.
    Dein Kleid steht Dir unwahrscheinlich gut. Es sieht sehr schön aus. Auch die Kombi gefällt mir wieder :-).
    Ein schönes Wochenende wünsche ich Dir.
    LG
    Ari

    ARI SUNSHINE BLOG

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    1. Hihi, ich stelle mir gerade vor, wie Du zustimmend nickst und das freut mich sehr, liebe Ari, Danke schön! Und schön, dass Du es genießt, im "mittleren Alter" zu sein... hört sich ja immer ein wenig komisch an :-)
      Vielen Dank auch für Dein Lob!
      Ich wünsch Dir auch ein schönes Wochenende
      LG
      Maren

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