Wiesn-Spezial: Trachten-Knigge für Anfänger

Ein Besuch der berühmten Theresienwiese in München während der Oktoberfest-Zeit kostet mich inzwischen einfach zu viel. Und damit meine ich noch nicht mal den Preis für die Maß, über den Jahr für Jahr geschimpft wird (schon gar nicht seit ich einen Blick aufs Nettogehalt meiner ersten Lohnabrechnung in Vollzeit geworfen hab!😂), sondern Geduld, Anstrengungsbereitschaft und die Motivation, sich bis zu einer Stunde lang vor einen der Einlässe in die Warteschlange zu stellen, das Dascherl nach Waffen und Bomben durchsuchen und sich schließlich gefühlt kilometerweit auf der oft vergeblichen Suche nach einem Sitzplatz durch die Menge schubsen zu lassen.

Na, ich weiß nicht. Ich gehöre ganz sicher nicht zu den Menschen, die behaupten, dass "früher alles besser war", aber was das Münchner Oktoberfest angeht, muss ich zugeben, dass an diesem Satz doch etwas dran sein könnte. Vor ein paar Jahren spazierte man halt einfach so auf die Theresienwiese, setzte sich in einen Biergarten und genoss die Atmosphäre des friedlichen Zusammensitzens internationaler Besucher. Inzwischen... vergesst es! 

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Für heuer quartiert sich ohnehin junge, trinkfeste und feierbereite Verwandtschaft während der Wiesn-Zeit ein paar Tage in meine Wohnung ein. Ich werde in der Zeit das Münchner Apartment meines Freundes bewohnen, da wir uns sonst alle gegenseitig auf die Füße treten würden 😂. Zudem fallen zwei Wochenenden weg, an denen ich gar nicht Zuhause bin. Also wird's heuer eh nix mit dem Wiesn-Besuch. Und ehrlich gesagt hab ich auch so gar keine rechte Lust, mich ins Gewühl zu stürzen. 

Aber deshalb die Dirndl-Style-Tradition hier auf dem Blog zu brechen, ist ja auch keine Lösung




Also haben mein Partner und ich beschlossen, mal wieder das sehr oberbayrische, pittoreske Bad Tölz zu besuchen, uns dort ein paar nette Stunden zu machen und mein Dirndlgwand zu fotografieren, welches ich heuer so gestylt habe, dass ich vor allem von den traditionsbewussten, konservativen Tölzern meiner Generation oder älter aus den Augenwinkeln misstrauisch gemustert wurde. 

Sicher nicht, weil das Tragen von Tracht an sich dort etwas Ungewöhnliches ist - ha, im Gegenteil! - sondern vermutlich eher, weil ich mal wieder gegen die 100 Regeln und Gesetze der Tracht verstoßen habe. Wetten, dass die dortigen Eingeborenen mich für so eine überkandidelte Saupreißin hielten, die im Wirtshaus ein "kleines Bier" bestellt - oder sogar etwas Absurdes wie einen "Angebatzten"? 😂


Wie auch immer. Der Dirndl-Knigge besagt jedenfalls, dass das Gwand nicht zu kurz (mindestens knielang!) sein, nicht zu "billig" aussehen, sowie nicht mit Sneakern, Cowboystiefelchen oder ähnlich "unpassendem" Schuhwerk kombiniert werden darf. Außerdem sollten Accessoires wie Kopfbedeckung, Haarreif oder Schmuck zum Stil des gewählten Dirndls passen, ebenso das Jankerl oder die Weste. Strumpfhosen sind gänzlich tabu, wenn überhaupt, dann sollten Kniestrümpfe mit Lochmuster getragen werden. Schlichtheit hat bei der Tracht Vorrang, der gesamte Aufzug sollte also nicht zu bunt sein - und Mustermix oder gar kulturelle Aneignung gehen schon mal gar nicht.

Hurra! Alles im Laufe der Jahre falsch gemacht, denn ich habe jede dieser Regeln mindestens einmal verletzt. Ich habe Strumpfhosen und falsche Schuhe getragen, von den internationalen Einflüssen und wild durcheinander gemixten Accessoires gar nicht zu reden! Und viel zu bunt für Bayern war ich vermutlich ohnehin schon immer. Heuer hatte ich noch nicht mal die Zeit für angemessenes Hairstyling. Durch das englische Sommerwetter hab ich jetzt die selbe Haarfarbe wie Donald Trump, oje, muss dringend zum Friseur! Aber wie heißt es so schön: man sollte die Regeln und Gesetze bekanntlich kennen, um sie zu brechen 😂.




Inzwischen bin ich nämlich auch einfach zu alt, um mich um solche verstaubten Knigge-Empfehlungen zu scheren. Daher mein ultimativer Tipp zum Tragen der Tracht: vergesst einfach alle Tipps, falls ihr euch je mit dem Gedanken tragen solltet, in ein Dirndl gewandet auf die Wiesn oder gar nach Bad Tölz zu pilgern. 

Und falls es euch ins tiefste Bayern verschlägt, bestellt im Wirtshaus ruhig mal "ein kleines Bier", fragt unbedingt nach veganen Alternativen zum ofenfrischen Schweinsbraten und nach Hafermilch für den abschließenden Cappuccino - den Schmerz werden die schon überwinden! Weicht die starren Sitten auf, so hart und unflexibel wie SchweinsbratenkrusteVergesst die Do's and Dont's des Trachten-Outfits, welche eh nur denen Halt geben, die sich seit Generationen an einen eigenartigen, inzestuösen, oberbayrischen Traditionsgedanken klammern, die AfD wählen oder sich nie weiterentwickelt haben. Was sich ja nicht immer gegenseitig ausschließen muss...😂.




OUTFIT:

Dirndl: aus 2. Hand, Spieth & Wensky
Schürze und Bluse: älter
Blazer: ?? aus 2018
Schuhe: Embassy London
Tasche: vom Camden Market
Sonnenbrille: TkMaxx

LOCATION:
das wunderschöne Bad Tölz

Kommentare

  1. Liebe Maren,

    nein nein nein nein nein, nie und nimmer bin ich auf dem Oktoberfest zu finden. Nie nie nie nie nie!!!

    Gestern abend, Dino-Claudi sitzt traditionell vorm Fernseher und guckt Tagesschau und sieht u.a. Anstich auf dem Oktoberfest, die Massen, die Leut, nääää!

    Egal, deine Trachtenauswahl ist bezaubernd! Kann verstehen, dass die Menschen im beschaulichen Bad Tölz verwundert geguckt haben ob deiner Neu-Interpretation der Trachtengestaltung. Dazu noch die orangen Haare ( find ich gar nicht so orange, erst auf deinen Hinweis ), du bist der Burner.
    Maren, ist doch egal. Du hast den Traditionsbewussten endlich mal ein Gesprächsthema geliefert.

    "Habt's ihr die auch gesehen, die mit die komischen orangen Hoar und die bunten Schuh! Und dann noch die Tasch dabei, jo mei!! Dass die sich hertraut!"

    Egal, Bad Tölz find ich schön mit der Isar und den feinen Häusern und dem vielen Grün. Da war ich sogar schon mal im letzten Jahrtausend.

    Liebe Grüße,
    Claudia

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    1. Liebe Claudia,
      früher war's aber echt entspannt und eine Gaudi. Und man fand sogar nette, weniger überfüllte Plätze.
      Im Grunde stimme ich dir voll zu, ich bin auch niemand, dem das Gedränge und die Menschenmassen Freude bereiten, aber wenn man direkt vor Ort ist, denkt man schon "Ach, einmal könnt ich doch hingehen..." :-)))
      Danke sehr! Und ich find's auch egal. In München fällt der Regelverstoß sowieso nicht auf, und in Tölz nur denen, die vielleicht halt etwas älter sind.
      Haha, genau! Dass die sich hertraut! :-))
      Bad Tölz ist definitiv schön, auch wenn's im Wirtshaus null vegetarische Alternativen gibt :-))) Die Isar z.B. ist dort besonders hübsch grün und pttoresk.
      Liebe Grüße, Maren

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  2. Wiesn London Calling, wie schön! Die Bad Tölzer sind bestimmt einiges gewöhnt - u.a. sich selbst :-) - so werden sie Dich bestimmt interessant gefunden haben.
    Gratuliere, dass Du dem Wiesn-Wahnsinn entsagst!
    Aber umso schöner, dass Du uns dennoch Dein heuriges Wiesn-Gwand zeigst und noch die vorherigen dazu. Das heurige ist auf jeden Fall mit das individuellste und gefällt mir sehr.
    Einen schönen wiesnfreien Sonntag wünsch ich Dir herzlich,
    Sieglinde

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    1. Hihi, ich glaub auch, dass die sehr viele merkwürdige Touristen gewohnt sind...!
      Jahaaa, aber ein wenig wehmütig ist mir doch ums Herz. Wenigstens einmal muss dann doch sein... aber ich hab gehört, dass eine Frau sogar wegen Hitze/Kreislauf oder ähnlichem gestorben ist. Da wird's mir doch ganz anders...
      Vielen Dank, liebe Sieglinde.
      Ja, den hab ich! Ich wünsch dir auch einen schönen entspannten Sonntag,
      herzlich, Maren

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  3. Haha, alle Dirndl-Regeln gebrochen und dann noch tief ins Bayrische gefahren... du bist die Beste und traust dich was ;-))))
    Mit dem heurigen Dirndl fällst du auf und es ist wieder sehr fantasievoll und bunt zusammengestellt, gefällt mir! Auch traditionsreiche Tracht kann sich weiterentwickeln, ich finde das sehr positiv. Alles, was festgefahren ist, kann aufgebrochen werden, überall!!
    Wünsche dir einen schönen Herbstbeginn, auch ohne Wiesn (mir wäre das auch zu viel Getümmel)

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    1. DAS finde ich auch, du sprichst mir aus dem Herzen. Festgefahren ist nie gut - und an Traditionen starr festhalten macht doch nur, dass sie erst recht aussterben. Wogegen fantasievoll weiterentwickeln einfach kreativ und offen ist.
      Vielen Dank, den wünsch ich dir auch!

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  4. Manitoubewahre! Nie und nimmer werde ich mich freiwillig derartigen Menschenmassen aussetzen...Ich kriege ja schon beim Anblick derer Beklemmungsgefühle! Schon viel weniger Menschen an einem Haufen sorgen bei mir für den Wunsch, fluchtartig die Räumlichkeit zu verlassen. Habs erst gestern Nachmittag wieder so bestätigt bekommen; eine unsrer Oberärztinnen hatte zu einem verspäteten "Wohnungseinweihungs-Apéreo" geladen. Sie ist sehr nett, hatte ein herrliches kleines Buffet gezaubert, und alle Menschen, die anwesend waren, kenne ich sehr gut, schliesslich arbeite ich jeden Tag mit ihnen zusammen. Aber du ahnst es: ich war die Erste, welche die Runde verliess. 1. weil die Stallarbeit rief, und 2. weil ich mich trotz allem so derart unwohl fühlte. Ich glaub, ich werd je älter, je seltsamer...! 🥴
    Deine Dirndl-Zusammenstellung sieht hübsch aus- trotz aller Vergehen, die einem jeden waschechten Bayer wohl die Tränen in die Augen jagen würden. Ich bin allerdings, das gebe ich gerne zu, da etwas zwiegespalten: einerseits bin ich ja die Erste, welche verknöcherte Traditionen gerne ein wenig aufweicht. Aber andererseits finde ich trotzdem, dass man die erhalten sollte. Schliesslich sind sie auch ein Teil unserer Identität- zumindest, wenn man "Ureinwohner" ist. Und nicht alles, was traditionell ist, ist ergo auch verstaubt, hinterwäldlerisch und von vorgestern. Zum 70igsten meines Daddys z.B. haben wir 3 Schwestern mit seinem Jodelklub 2 wunderschöne Stücke eingeübt und zu diesem Anlass jeweils eine echte Obwaldner Werktags- oder Festtagstracht getragen. Ich wäre dabei nie auf die Idee gekommen, dazu Ringelleggins und einen pinken Haarreif zu kombinieren. Zum Beispiel.
    Ansonsten tendiere ich zu "Leben und leben lassen". Und auf die Wiesn schleifen mich trotzdem keine 10 Bierkutschen-Pferde!
    Happy Sonntag, herzliche Grüsse!

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    1. Nein, du bist nicht seltsam. Man nennt es Introversion oder wie auch immer - Name ist Schall und Rauch. Tatsache ist, es gibt solche Menschen. Ich weiß das, ich gehöre auch zu diesem Club und hab mich sehr mit dem Thema beschäftigt (da ich nicht nur introvertiert, sondern auch grüblerisch veranlagt bin... ;-))) und sogar Posts darüber verfasst, die manche glaub ich ein bisschen komisch fanden und (in etwa) meinten, dass es so etwas gar nicht gibt. Ähem. Na, ich werd's ja wohl wissen, wenn ich selbst so bin.
      Ich verliere unter Menschen Energie und fühle mich nach einer Zeit sehr unwohl, auch wenn ich die Leute mag. Das ist wie ein Marathon, irgendwann kann ich halt einfach nicht mehr. Ich kann das so gut nachvollziehen! Wenn ich allein bin und so "vor mich hinwurschtele", bin ich in meinem Element und tanke auf. Und da ich eh den ganzen Tag unter Menschen bin, kann es durchaus vorkommen, dass ich am Wochenende gar keinen sehe, nicht mal meinen Partner. Ich fühl mich aber null einsam. Ich glaub, DAS verstehen die wenigsten :-))))
      Mit den Traditionen versteh ich dich auch - aber ich glaube fest, je mehr wir uns an ihnen "festklammern" und keine Weiterentwicklung zulassen, desto eher sterben sie aus. Je entspannter man damit umgeht, desto eher werden auch noch die nachfolgenden Generationen Tracht tragen und jodeln. Am allerbesten wäre es psychologisch, das Jodeln ganz zu verbieten - was glaubst, wie viele plötzlich heimlich jodeln würden... in Tracht! :-))))
      Dir auch einen entspannten Happy Sunday, ganz ohne viele Menschen! :-)

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  5. ...achja. "Apéro" heisst das wohl, was da auf dem Tisch stand....😁

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  6. Zwar unter weiß-blauem Himmel, aber wiesenfern und Erkältungstee trinkend. Dirndl hab ich eh zuletzt als Kind getragen. Kann mir vorstellen, dass es Spaß macht, das alles zu konterkarieren. Allein die Tasche schafft‘s. Hab hier am Nockherberg auch sehr schräge, lustige Varianten gesehen. Dir eine dennoch nette Zeit ohne Wies‘n.
    GLG
    Astrid

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    1. Ja, in München brechen sie die Tradition schon lange auf, und haben Spaß dran. Das liebe ich.
      Danke! Oje, dir auf alle Fälle gute Besserung!
      Liebe Grüße,
      Maren

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  7. Dein Alternativprogramm zum Bierzelt kann ich so gut nachvollziehen - ich hatte mich vor zwanzig Jahren mal zum Besuch eines Wasenzeltes überreden lassen. Einmal und nie wieder, das hat mir für den Rest meines Lebens gereicht. Heute locken mich solche Veranstaltungen überhaupt nicht mehr aber ich mag es, in der Zeit die vielen Dirndlinterpretationen zu bewundern. Scheinbar wagt sich keiner mehr ohne Tracht aufs Fest, was das Fahren mit den Öffentlichen sehr interessant gestaltet. Vom Dirndl-Knigge hat da aber auch keiner was gehört 😁.
    Liebe Grüße!

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    1. Nein, das ist ja auch Ba-Wü... da gibt's keinen Dirndl-Knigge. Wasen-Dirndl sind tatsächlich ganz anders als bayrische, viel verspielter und weniger konservativ. Als Kind hatte ich auch ein Dirndl. Selbst in Nordbaden geht das :-))) Auf dem Wasen war ich zum letzten Mal in den 90ern... da hat kein Mensch Tracht getragen, hab zumindest keinen gesehen :-))) Inzwischen ist das natürlich auch eine Geldmacherei, genau wie bei der Wiesn ja auch...
      Liebe Grüße!

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